Archiv der Kategorie: Reiseberichte

Peru, Teil eins

Die Farbe der Saison ist Grau

Inkapyramiden, Lamas, Macchu Picchu, Die Linien von Nazca, die Hauptstadt Lima…

Kurz vor der Grenze nach Peru, mal wieder ein Camp irgendwo im Nirgendwo

Wir waren voller Erwartungen, als wir zusammen mit José, einem Kolumbianer, den wir von Baños aus mit nach Lima nahmen, die Grenze überquerten. Bekanntermaßen bilden jedoch hohe Erwartungen einen idealen Nährboden für tiefe Enttäuschung und so wurde die erste Woche im Land der Inkas zu einer echten Gedulds- und Nervenprobe. Es begann bereits an der Grenze. Wir hatten uns inzwischen dazu entschlossen, noch einmal für ein halbes Jahr nach Europa zurück zu kehren, teils aus Sehnsucht nach Freunden und Familie, teils um anschließend für den Rest unserer Südamerika-Tour und den langen Segeltörn in die Heimat finanziell gerüstet zu sein. Dafür war es notwendig, unseren Jeep für die Zeit sicher unterzustellen und da es bis zu unserem Flug nur noch vier Wochen waren, sollte dies auf jeden Fall in Peru geschehen. „No es possible!“- „Das ist nicht möglich!“ war die Antwort des Zöllners, als wir ihn nach einer Erweiterung der obligatorischen neunzig Tage Aufenthalt für das Auto fragten. Glücklicherweise war an dem kleinen Grenzübergang jedoch wenig Verkehr und wir hatten genug Zeit, ihm unsere Pläne zu erklären. So nach und nach fiel ihm dann doch ein, wie wir das Problem lösen konnten und nach einer halben Stunde waren wir ausgerüstet mit den Namen diverser Zöllner in Lima und Cuzco, seiner der Privatnummer, falls es noch Probleme gibt sowie einer Anleitung, wie und unter welchen Vorausetzungen und Vorwänden wir das Auto für eine längere Zeit im Land lassen könnten. Geschafft! Der berüchtigte Peruanische Zoll war überwunden und wir waren auf dem Weg nach Lima, wo wir uns mit Christina und Magnus treffen würden, einem befreundeten Deutsch-norwegischen Paar, das für vier Wochen mit uns durch Peru reisen würde.

Meist ging es geradeaus
Meist ging es geradeaus

Der Weg nach Lima führte durch die Wüste, für uns beide eine völlig neue und aufregende Erfahrung. So weit das Auge reichte, Sand und Geröll. Abschnittweise auch mal kleine schroffe Berge aber meist zog sich die Straße bis zum Horizont schnurgrade durch eine weite Sandebene. Ein paar mal fuhren wir zum Spaß einfach von der Straße runter in die Wüste, jedoch immer darauf bedacht, die Straße nicht aus den Augen zu verlieren. Mit der Sonne im Zenit und ohne Wind als Richtungszeiger wird einem schnell bewusst, wie leicht es sein muss, sich hier zu verirren. 

Wenn es zu langweilig wurde, konnte man schön im Sand spielen
Wenn es zu langweilig wurde, konnte man schön im Sand spielen

Unsere Hochstimmung über diese völlig neue Erfahrung verebbte schlagartig in der ersten Polizeikontrolle. Schönes Auto, Papiere und Versicherung alles in Ordnung, aha, wir seien aus Deutschland und Norwegen… Wir wiegten uns schon in Sicherheit, als der Polizeibeamte beiläufig bemerkte, dass wir ja aber ohne Licht unterwegs seien. Dabei steckte er schon mal Pauls Führerschein ein. Das Bußgeld seien 500 Soles, umgerechnet um die 140 Euro, die wir in der nächsten Stadt bezahlen könnten, um dann mit der Quittung hier den Führerschein wieder auszulösen. Es folgte ein Dialog, der für den Rest der Reise durch den Norden Perus typisch werden sollte:

Paul: „Haben wir denn nicht die Möglichkeit, dass irgendwie einfacher zu lösen? Wir haben es wirklich eilig und müssen vor dem Dunkelwerden noch einen sicheren Schlafplatz finden!“

Polizist: „Mmh, wieviel habt ihr denn dabei?“

Paul (kramt suchend in der Tür): „Ich habe hier noch zwanzig Dollar und (sucht in den Hosentaschen) noch ein paar Soles in bar. Mehr haben wir nicht, bezahlen meist mit Karte!“

Polizist: „Mmh. Schönes Auto! Wo wollt ihr denn hin?“

Es folgt ein kurzes belangloses Gespräch über unsere nächsten Reiseziele. Dann nach einer Weile:

Polizist: „Und was machen wir nun?“

Paul: „Das ist alles, was wir mit haben.“

Polizist nickt, hält mir die Hand zum Abschied hin, Paul gibt ihm die Hand, darin die zwanzig Dollar. Polizist gibt ihm seinen Führerschein zurück und wünscht uns freundlich eine gute Weiterfahrt.

Dieses Gespräch führten wir so mit kleinen Abwandlungen ungefähr vier bis fünf Mal, was unserer Laune nicht guttat. Dazu kam, dass die zuerst aufregend neue Wüste nach zwei Tagen extrem langweilig wurde. Zu allem Überfluss hatte der Himmel sich mit einem grauen Dunst überzogen und immer wenn wir uns einer Stadt näherten, kündigte sich dies schon zwanzig bis dreißig Kilometer vorher dadurch an, dass der Wüstenboden mit Müll überzogen war. Die vorherrschende Farbe war grau. Himmel: grau, Wüste: grau, Städte: grau. Selbst der Pazifikstrand und das Meer waren grau.

Es war...grau!
Es war…grau!

Den Höhepunkt dieser deprimierenden Einöde bildete dann die Hauptstadt. Hätten wir nicht versprochen, unsere Freunde hier abzuholen, hätten wir Lima wahrscheinlich auf der Stelle wieder verlassen. Zu dem nun schon gewohnten Grau kamen hässliche Fassaden in der gleichen Farbe und ein so vollkommenes Verkehrschaos, dass wir froh waren, in einem zwei Tonnen schweren Stahlkoloss zu sitzen, der mit reichlich Hubraum und PS ausgestattet war. Aber es war ja nur für eine Nacht, dachten wir zumindest. Früh um sechs machte Paul sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Flughafen und stand pünktlich in der Ankunftshalle. Wer nicht da war, waren die beiden. Nach einer Stunde mit warten und suchen erreichten wir sie endlich auf ihrem Handy. Sie gingen gerade schön in Madrid spazieren. Ihr Nachtflug in Verbindung mit der Zeitverschiebung sorgten dafür, dass wir uns um einen Tag vertan haben. 

Lima, Stadtverkehr
Lima, Stadtverkehr

Als sie dann am nächsten Morgen beim zweiten Versuch wirklich wohlbehalten da waren, waren auch sie nicht schwer davon zu überzeugen, Lima so schnell wie möglich zu verlassen. Wir nutzten den Rest des Tages für einen Ausflug an den städtischen Strand und eine Einkaufstour, um uns mit einem zweiten Zelt und allem zu versorgen, was wir brauchten, um für vier Wochen zu viert in einem Jeep zu leben und verließen Lima am nächsten Morgen.

Die Nazca-Linien, Mumien und das Andenhochland

 Nach drei Tagen, lustigen Abenden am Lagerfeuer und einem Kurs im „Peruanische Verkehrskontrollen gelassen und kostengünstig überstehen“ erreichten wir das Städtchen Nazca mitten in der Wüste. Sie ist der Namensgeber für eines der rätselhaftesten archäologischen Phänomene auf unserem Planeten: Den Nazca-Linien. Einzig aus der Luft erkennt man in den Wüstenboden gescharrte hunderte Meter große Tierfiguren und kilometerlange schnurgerade Linien, Pisten, Trapeze und Dreiecke. 

Was aussieht wie ein Flughafen ist mindestens 2000 Jahre alt.
Was aussieht wie ein Flughafen ist mindestens 2000 Jahre alt.

Bis heute herrscht in der Wissenschaft keine Einigkeit darüber, wer die Erbauer sind, wie alt die Figuren sind und zu welchem Zweck sie einst geschaffen wurden. Klar ist nur, dass sie mehrere tausend Jahre und damit älter als die Kultur der Inkas sein müssen und dass sie in unterschiedlichen Zeiten entstanden.

Der Kolibri
Der Kolibri

Auf einem fünfundvierzig minütigen Rundflug hatten auch wir die Möglichkeit, bei perfekten Wind- und Sichtverhältnissen einen Blick auf viele dieser misteriösen Figuren und Linien zu werfen. Viel kannten wir schon von Bildern aber die Figuren dann dort im Sand auftauchen zu sehen, wo sich vom Boden aus gesehen nur unspektakulärer steiniger Wüstenboden erstreckt, hinterließ einen bleibenden Eindruck. CIMG2126

Der Flug ging früh morgens und den Rest des Tages nutzten wir für eine Sehenswürdigkeit, deren Existenz vielen Besuchern Perus nicht einmal bekannt ist. Ungefähr zwanzig Kilometer südlich von Nazca befindet sich mitten in der Wüste ein gigantisches Gräberfeld, in dem schätzungsweise zweitausend Mumien aus der Zeit vor den Inkas begraben liegen. Heute befindet sich auf diesem Gebiet ein Freiluftmuseum, in dem ungefähr dreißig Gräber offengelegt wurden. In zwei Meter tiefen Gruben sitzen die sterblichen Überreste von Schamanen und anderen wichtigen Persönlichkeiten ihrer Zeit, aber auch ein kleines Tuchbündel mit der Mumie eines kleinen Kindes ist zu sehen. Zwar sind die Schädel nur noch Knochen, Haare und Kleidung sehen jedoch aus, als wären sie eben erst in die Gruben gelegt worden und hätten nicht schon mehrere tausend Jahre im Wüstensand begraben gelegen.

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Vor der Zeit des Museums war das Gräberfeld ein beliebtes Ziel von Grabräubern, die mit langen Stangen den Boden durchbohrten und bei Widerstand nach den verborgenen Schätzen gruben. Menschliche Überreste wurden dabei gedankenlos an der Oberfläche zurückgelassen, so dass heute die gesamte Umgebung mit menschlichen Knochen, darunter auch klar erkennbare Schädel-, Schenkel- und Beckenknochen, übersät ist.CIMG1958-DC

Während wir andächtig und fasziniert die Gräber bestaunten, geschah es: Paul beugte sich über eine der Gruben und seine Sonnenbrille, die er nur locker auf dem Kopf hatte, fiel hinein. Der erste Gedanke: Oh Gott, ist das peinlich! Der zweite Gedanke: Man stelle sich vor, in zweitausend Jahren gräbt wieder ein Archäologe diese Mumien aus und findet Pauls Sonnenbrille als Grabbeigabe, was wäre die Konklusion? Hier unsere Lieblingstheorie: Die europäische Hochkultur des einundzwanzigsten Jahrhunderts besaß eine Technologie, die Zeitreisen möglich machte und während einer intertemporalen Expedition zu einer Bestattungszeremonie in die peruanischen Wüste verlor einer der Forscher seine Brille! Anstatt jedoch der Nachwelt ein weiteres unlösbares Rätsel in der peruanischen Wüste zu hinterlassen, erzählten wir einem der Museumsführer von unserem Missgeschick, der mit einem freundlichen Grinsen und einer langen Stange die Brille wieder in unsere Zeit zurückholte.

Nun war es an der Zeit, uns so langsam in Richtung Cuzco zu bewegen. Cuzco liegt auf einer Höhe von über dreitausend Metern in den Anden und war die Hauptstadt und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt des Inkareiches. Heute ist es das Zentrum des Inkaturismus in Peru und der Ausgangspunkt von wahrscheinlich neunzig Prozent aller Macchu Picchu Besuche. Für die rund neunhundert Kilometer durch die Anden veranschlagten wir rund zwei Tage und da es schon Nachmittag war rechneten wir mit zwei Übernachtungen auf dem Weg. Nachdem wir uns drei Stunden lang über Serpentinen ins Gebirge geschraubt haben, sahen wir zur Begeisterung aller die ersten Lamas und Alpakas.

Alpakka Nummer 1, ein echtes Erlebnis
Alpakka Nummer 1, ein echtes Erlebnis

Noch war jedes der Tiere ein Grund zum Anhalten und Fotografieren, schließlich wussten wir noch nicht, dass wir später noch oft gezwungen sein würden, anzuhalten, da besagte Attraktionen es sich auf der Straße gemütlich machten und ein Auto nun wirklich kein Grund ist, seinen Mittagschlaf zu unterbrechen. 

Alpakka Nummer 2 - 80, nicht mehr so spannend...
Alpakka Nummer 2 – 80, nicht mehr so spannend…

Zu unserer Überraschung stießen wir dann noch auf Tiere, die wir gar nicht auf unserer Liste hatten. Vor einem Bus, der am Straßenrand parkte, standen gut dreißig Touristen bewaffnet mit Fernglas und Kameras und beobachteten einen kleinen See. Nach kurzem Überlegen kamen wir drauf: Flamingos! Die kannten wir bisher nur aus dem Zoo und hatten uns eigentlich noch nie so richtig Gedanken darüber gemacht, wo die eigentlich herkommen.

Flamingo!
Flamingo!

Nach einem langen Tag beschlossen wir bald, an einem kleinen See am Straßenrand unser Nachtlager aufzuschlagen. Wir mussten uns ohnehin einmal wieder waschen und eine kleine Steilwand gab uns und unseren Zelten Schutz vor dem kräftigen Wind. Die Sonne brannte vom Himmel und die Luft war angenehm warm, das Wasser jedoch war eisig. Im Nachhinein hätten wir daraus eigentlich Schlüsse auf die Nachttemperaturen ziehen können. Wir waren frisch gebadet, das Lager war aufgebaut und während wir mit Holzkohle und getrocknetem Lamadung (oder auch Alpakkakacke) ein Lagerfeuer entfachten, ging die Sonne unter und gleichzeitig fing die Temperatur an ins Bodenlose zu fallen.

Leider brennt Lamadung nicht so gut wie trockenes Holz
Leider brennt Lamadung nicht so gut wie trockenes Holz

Bereits beim Essen krochen wir dicht am Feuer zusammen und waren dankbar, dass Magnus noch eine Flasche Whiskey im Gepäck hatte. Im Zelt wurde es dann wirklich ungemütlich. Wir waren auf solche Temperaturen nicht vorbereiten und froren erbärmlich unter unseren dünnen Steppdecken. Als Paul nachts raus musste, stellte er dann fest, dass das Kondenswasser an der Zeltinnenwand gefroren war. 

Es war ein bisschen wie in der Gefriertruhe zu übernachten
Es war ein bisschen wie in der Gefriertruhe zu übernachten

An wirklichen Schlaf war dann nicht mehr zu denken. Die Füße wurden irgendwann taub und während wir ständig wach wurden, weil ein anderer Körperteilgerade nicht optimal zugedeckt war warteten wir darauf, dass es endlich hell werden würde. Als dann tatsächlich irgendwann die Sonne über den Horizont stieg, staunten wir nicht schlecht, als die Umgebung uns verriet, wie kalt es in der Nacht wirklich gewesen ist. Unsere selbstgebauten Bänke waren von Raureif überzogen, die Autoscheibe trug einen Eispanzer, dem mit dem Eiskratzer nicht einfach beizukommen war und sogar der See, in dem wir tags zuvor noch badeten, trug nun eine dünne Eisschicht.CIMG2185-PC Später sollten wir erfahren, dass wir in dieser nacht nicht auf den geschätzten zweitausend sondern auf über viertausend Metern Höhe kampiert hatten. Mit der Sonne stieg nun aber auch die Laune und mit einem heißen frisch gekochten Kaffee in der Hand sahen wir dabei zu, wie unser Lager langsam wieder auftaute. Dann hieß es: schnell packen und weiter. Mit der unverhofften Nacht in den Hochanden war unser nächstes Ziel plötzlich in greifbare Nähe gerückt: Cuzco und Machu Picchu, das Reich der Inka.P1060755

Equador

Die typische Landestracht: Faltenrock, Flechtzopf und Hut

Klee, Löwenzahn und schwarz-weiße Kühe sorgten nicht unbedingt dafür, dass wir uns wie in Südamerika fühlten und mit zwölf Grad Lufttemperatur hätten wir uns genauso gut zu Hause in Norwegen oder Deutschland befinden können. Die Menschen in ihren indianischen Trachten sowie Benzinpreise von um die sechzig Cent pro Liter gaben dem Land dann aber doch einen exotischen Anstrich.

Nachdem wir den Äquator ausgiebig besichtigt hatten, war unser Ziel zunächst die Hauptstadt Quito, ungefähr zwei Stunden entfernt. Hier wollten wir uns nach 14 Tagen im Zelt mal wieder ein wenig Zivilisation gönnen, nicht zuletzt auch weil Pauls Geburtstag vor der Tür stand. Wir mieteten uns für ein paar Tage in einem Hostel ein und genossen die große Küche, Internet sowie einen Begrüßungsdrink an der Bar. Mit gefülltem Hühnchenfilet, kaltem Bier und einigen Runden Pool am hauseigenen Billardtisch feierten wir Pauls Geburtstag nachdem er am Nachmittag mit unserem Jeep wieder aus der Werkstatt kam. Wir hatten schon einige tausend Kilometer zurückgelegt und bald würde es in die Wüste und weiter in die Anden gehen, da wurde es mal Zeit für neue Bremsbeläge und einen Blick unter die Motorhaube.

Einmal Fußpflege, dass hatte unser Jeep sich verdient!
Einmal Fußpflege, dass hatte unser Jeep sich verdient!

Außer den erwähnten Bequemlichkeiten und einigen hübschen Gebäuden in der Altstadt hatte Quito uns nicht viel zu bieten, so dass wir schon am ersten Tag nach unserer Ankunft zu einer Tour auf den empfohlenen Vulkan „Cayambe“ starteten.

Blick auf die Altstadt von Quito
Blick auf die Altstadt von Quito

Wie es der Zufall so will, teilten wir unser Zimmer mit zwei Studentinnen aus Norwegen und Dänemark, die sich sehr leicht zur Teilnahme überreden ließen. Nach einem kurzen Stopp am Äquator ging es dann los. Von hier aus waren es nicht mehr als dreißig Kilometer bis zum Parkplatz nahe des Gipfels auf fast 5.000 Metern Höhe. Diese Strecke verlangte unserem Jeep jedoch alles ab, was er an Geländetauglichkeit zu bieten hatte.

Fußballgroßes Geröll, Schlaglöcher, ausgewaschene Lehmwege und Steigungen weit jenseits der zehn Prozent sorgten dafür, dass so mancher einheimische Besucher seinen Pick Up am Wegrand stehen ließ und den Weg zu Fuß fortsetzte während wir uns jedoch nicht abschrecken ließen und unser erstes echtes Offroad-Abenteuer genossen. Oben angekommen gab es dann erst einmal einen kleinen Schock.

Der schneidende Wind bei vielleicht 3°C wirkte wie eine kalte Dusche und wir verkrochen uns schnell in die Bergstation für eine Schüssel Hühnersuppe und einen Becher Kaffee, bevor wir uns an den Aufstieg zum Gletscher machten. Wer wissen möchte, wie seine Kondition in dreißig Jahren und mit zwanzig Kilo mehr auf den Rippen aussieht, dem empfehlen wir ausdrücklich eine Klettertour auf über 4500 Metern. Zwischen uns und unserem Ziel, einem kleinen See nahe der Gletscherkante, lagen nur dreihundert Meter Höhenunterschied und etwas über einen Kilometer Luftlinie und dennoch war dies eine der anstrengendsten Wanderungen auf unserer Reise. Die Lunge schreit nach Sauerstoff, der Herzschlag ist beschleunigt, scheint sich aber irgendwo im Bauch zu befinden und etwa alle fünfzig bis hundert Meter ist jeder Stein für eine Pause willkommen.DSC00101Als Ausgleich für unsere Strapazen bot sich uns jedoch eine Atmosphäre wie auf einem anderen Planeten. Schroffe Felsen, kilometerweite Aussicht, kein Anzeichen von Leben, leichter Schwefelgeruch, das Knacken des Gletschers in der Luft und das Wetter schien sich alle zehn Minuten zu ändern.

Der Schneebedeckte Gipfel des Cayambe im Licht der Äquatorsonne
Der Schneebedeckte Gipfel des Cayambe im Licht der Äquatorsonne

Einen Weg, dem wir folgen konnten, gab es hier oben nicht, was unser Gefühl, uns auf einer Expedition zu befinden, noch verstärkte. Völlig außer Atem jedoch glücklich und beeindruckt erreichten wir den See nach ungefähr eineinhalb Stunden. Viel Zeit zum Erholen und Genießen dieses Anblicks blieb uns jedoch nicht. Es war bereits Nachmittag und wir mussten unbedingt bevor es dunkel wurde auch mit dem Auto wieder vom Berg herunter sein.

Zudem hörten wir Donnergrollen und das während wir uns mitten in den Wolken befanden. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend machten wir uns an den Abstieg, nicht jedoch ohne vorher noch einen Abstecher zum Gletscher zu machen. Während das ewige Eis knirschte und knackte, beeilte Paul sich mit der Machete einen Block aus der drei Meter hohen Wand zu schlagen. Somit konnten wir am Abend zurück im Hostel unseren Ausflug stilecht mit Gletschereis- gekühlten Getränken abschließen.

Mit echtem Gletschereis feierten wir die Rückkehr
Mit echtem Gletschereis feierten wir die Rückkehr

Aufgrund ausgebuchter Betten waren wir am Folgetag gezwungen, unser Hostel zu wechseln, was sich jedoch als Glücksfall erwies. Ein junges Paar aus Deutschland erzählte, sie hätten den Äquator noch nicht besichtigt, hätten aber auch eigentlich keine Zeit mehr. Als wir von unserem Ausflug erzählten, entschieden sie sich aber recht schnell dafür, dass sie vielleicht doch noch einen Tag übrig hätten. Auch zwei Jungs aus Kanada interessierten sich für eine kombinierte Äquator-, Jeep- und Klettertour, so dass Paul noch einmal in diesen Genuss kam, diesmal sogar als Tourguide. Als wir am Abend nach dem Ausflug an der Bar mit Whiskey und dem obligatorischen Gletschereis anstießen, meinte einer der Teilnehmer, dies sei das Größte gewesen, das er bis dahin erlebt hatte.

Mit diesem Lob frisch im Gedächtnis und einer dank zufriedener Teilnehmer frisch aufgefüllten Reisekasse verließen wir Quito mit dem Ziel peruanische Grenze.

Trinidad

Ersteinmal muss sich die Mannschaft natürlich entschuldigen, dass nun soooo lange nichts mehr von uns zu hören bzw. zu lesen war, aber der Aufenthalt in Trinidad wurde doch etwas länger und unsere Projekte etwas umfangreicher, als wir dachten.

Zusammen mit unserem schwedischen Freund Sven-Erik, der für ein paar Wochen auf Barbados an Bord kam, segelten wir nach Trinidad. Als es am zweiten Morgen am Horizont langsam hell wurde, glaubte Paul, am Horizont dunkle Wolken aufziehen zu sehen. Nach kurzer Zeit wurde jedoch klar, dass das die Küste von Trinidad sein musste, die schon aus dreißig Seemeilen Entfernung zu sehen war.

Die Küste von Trinidad
Die Küste von Trinidad
Die Ankunft war beeindruckend
Die Ankunft war beeindruckend

Als die Sonne sich dann langsam erhob, bekamen wir eine Idee davon, wie Columbus sich bei seiner Landung in der Karibik gefühlt haben muss: Berge, über und über von Regenwald bewachsen, fielen Steil in den Atlantik ab, die Wellen brachen sich an den Felsen und weit und breit war kein Zeichen von Zivilisation zu erkennen. Je näher wir der Küste kamen, um so exotischer wurde es. Kleine Inseln oder eher große Steine standen einige hudert Meter vom Ufer entfernt und Pelikane und Fregattvögel kreisten über unseren Köpfen.

Zwar wurde es dann, als wir unser endgültiges Ziel erreichten, doch wesentlich zivilisierter, dennoch fühlten wir uns auf Anhieb viel wohler als auf Barbados.

Chaguaramas, die Bucht in der wir lagen, ist das Zentrum in der Karibik, wenn es um Boote und deren Reparatur geht. Seite an Seite reihen sich sechs Marinas, jeweils mit zugehöriger Werft und auf dem Hof genug Platz für hunderte Yachten. Gefühlte hundert Betriebe, vom Segelmacher über Schweißer bis hin zu Spezialisten für Klimaanlagen oder Schlauchboote, verteilen sich auf dieses Gebiet und die verhältnismäßig günstigen Preise und Stundenlöhne machten diesen Ort für uns zur Rettung.

Die Höhle, leider kamen wir nicht rein!
Die Höhle, leider kamen wir nicht rein!

Bevor es jedoch an die Arbeit gehen sollte, verbrachten wir noch ein paar Tage Urlaub mit Sven-Erik, der ein Zimmer in der Hauptstadt Port of Spain gemietet hatte. Zusammen sahen wir uns die Stadt an und besuchten Savannah, einen großen Park, der nun kurz vor dem Karneval einem großen Probensaal für unzählige Steelbands glich. Außerdem stand ein Tagesausflug auf die kleine Insel Caspar Grande auf dem Programm, auf der es eine gigantische Höhlenanlage geben soll. Die war zwar leider geschlossen und nur für geführte Gruppen begehbar, dennoch wurde es eine spannende Tour, auf der wir mit unserem Schlauchboot und unserem fünf PS Yamaha zu dritt die Insel umrundeten.

Nach einem gemütlichen Essen an unserem letzten gemeinsame Abend hieß es dann aber für Sven Erik: „Auf in die Heimat!“ und für uns: „Ab an die Arbeit!“

CIMG0316Zwei größere Projekte hatten wir vor uns. Nachdem wir an Bord immer noch mit Strommangel zu kämpfen hatten, beschlossen wir, uns einen vernünftigen Geräteträger über dem Cockpit bauen zu lassen, auf den unsere inzwischen zwei Solarpanele befestigt werden sollten. Außerdem beschlossen wir, da wir nun insgesamt dreimal Ärger mit unserem Rigg hatten, alle übrigen Stagen und Wanten (also alles, was so an Drahtseil im Mast ist) neu machen zu lassen.  Das Rigg war innerhalb rekordverdächtiger drei Tage fertig. Das mag daran liegen, dass der Rigger Schwede war. Betrachten wir die Skandinavier schon als entspannt, bekommt das Wort stressfrei (um nicht „langsam“ zu benutzen) hier in der Karibik eine neue Dimension.

Für den Geräteträger fanden wir eine kleine Werkstadt, in der Paul die Möglichkeit bekam, mitzuarbeiten. Das war zum einen ganz angenehm für unser Budget, zum anderen gab es uns seit langem einmal wieder einen geregelten Tagesablauf.

Paul durfte auch schweißen!
Paul durfte auch schweißen!

Um unsere Projekte am Boot in den Griff zu bekommen, mussten wir in die Marina. Dort kamen wir neben einem anderen Norwegischen Boot zu liegen und nach zwei Tagen stieß noch „One Direction“, noch eine norwegische Crew, die wir schon in Las Palmas getroffen haben, zu uns, so dass wir nun in einer Marina mit nur dreizehn Liegeplätzen Seite an Seite mit drei norwegischen Booten lagen. Paul stellte fest, dass, wenn es wirklich nur um die fünf Millionen Norweger gab, wenigstens die Hälfte von denen auf Langfahrt sein müsse.

Außerdem lernten wir hier Ragga kennen. Der Hafenmeister in unserer Marina stammte ursprünglich aus St. Vincent, verbrachte allerdings einen großen Teil seines Lebens in den Niederlanden. Geplant hatte er dort nur eine Woche Urlaub, doch daraus wurden dann fünfundzwanzig Jahre Ehe und eine Karriere als Reggae- Musiker. Nach seiner Scheidung zog es ihn dann aber zurück in die Karibik, wo er nun als Dockmaster arbeitet und neben bei an einem fünfundvierzig Fuß großen Zweimaster bastelt, der ihn in einigen Jahren um die Welt bringen soll.

Ragga ist der Linke!
Ragga ist der Linke!

Wie öffnet man Kokosnüsse? Wie ist man grüne Bananen, Mangos und Papayas? Wie trinkt man Rum auf lokale Art? Wo findet und wie fängt man Hummer? Auf welchem Kurs segelt man am besten zu welchen Inseln? Ragga wurde unser Lehrmeister für das Leben in der Karibik. Außerdem nahm er uns und unsere Nachbarn von der „One Direction“ mit auf eine unvergessliche Tagestour in den Dschungel von Trinidad. Morgens um neun wurden zwei Geländewagen mit allem beladen, was man im Dschungel so braucht: Einen großen Gaskocher, Hühnchen, Reis, allerlei Gemüse, Gitarren und eine große Kühlbox voll mit kaltem Bier und auf ging´s. Von einem Parkplatz aus ging es dann zu Fuß weiter einen Trampelpfad an einem kleinen Fluss entlang, den wir immer wieder über- bzw. durchqueren mussten. CIMG0390 Wäre unser Gepäck ein wenig wissenschaftlicher gewesen, hätte es sich nach Expedition angefühlt. So wurde es zu einem äußerst exotischen Wandertag. Ziel dieser Wanderung war eine kleine Sandbank an einem Bassin in einer Biegung des Flusses. Um uns herum waren nur Vögel und das Glucksen des Baches zu hören, der an dieser Stelle etwas über zwei Meter tief war und zum Schwimmen nahezu zwang. CIMG0395

Der eigentliche Höhepunkt befand sich jedoch erst um die Ecke. Hatte man den Pool durchschwommen, kam man nach gut zweihundert Metern an einen Wasserfall, der rund zwanzig Meter in einen weiteren natürlichen Swimmingpool Tiefe Stürzte und das Bild des tropischen Dschungelparadieses komplett machte. CIMG0404

Auf unserer Sandbank schlugen wir unser Lager auf und Wabba, der beste Freund von Ragga, der uns hierher geführt hatte, machte sich sogleich daran, Hühnchen und Reis im Gusseisentopf in eine leckere Mahlzeit zu verwandeln, die dann in Ermangelung zivilisierten Geschirrs mit den Fingern von großen Blättern gegessen wurde. Das sparte praktischerweise gleich den Abwasch. Der Tag verging dann mit Gitarre und Gesang, kalten Getränken, Quatsch Erzählen und natürlich Baden. Besonders das hatten wir vermisst, da die Bucht in der wir lagen, ziemlich verschmutzt war. Plötzlich bemerkten wir, dass hektisch zusammengeräumt wurde. Grund dafür war, dass es wohl bald dunkel werden würde und zwischen den Bäumen wird es dann wohl so schwarz, dass es nicht einfach wird, den Weg zurück zu finden. Außerdem laufe man Gefahr, bei lebendigem Leibe von Mücken gefressen zu werden. Zwar gefiel es uns hier ausgezeichnet, das wollten wir dann aber doch nicht riskieren und so machten wir uns alle auf den Heimweg, auf dem wir diesmal hinten auf dem PickUp Platz nahmen und so eine fantastische Aussicht auf die Klippen hatten, als wir uns auf engen Küstenstraßen wieder zurück zur Marina schlängelten.

In der darauffolgenden Woche bastelten wir weiter am Boot und verbrachten gemütliche Abende zusammen mit Ragga oder einfach allein im Cockpit, bevor wir uns am darauffolgenden Wochenende in den totalen Wahnsinn stürzten.

„In Trinidad feiert man entweder Karneval oder man bereitet die nächste Karnevalssaison vor!“ Karneval in Trinidad ist in der Tat der absolute Ausnahmezustand, die nach eigenen Angaben „Greatest Party on Earth“, die größte Party der Welt. Die verrückteste Phase bekamen wir selbst hautnah mit. In der Nacht zum Rosenmontag beginnt gegen zwei Uhr morgens ein Zug durch die Straßen von Port of Spain. Die ganze Nacht über wird getanzt, gefeiert, getrunken und sich gegenseitig mit Matsch, Wasser und Farbe vollgeschmiert, bis man gegen zehn Uhr morgens wieder am Ausgangspunkt ankommt. 

Jaja, wir hatten Spaß...
Jaja, wir hatten Spaß…

Hier stehen dann Tanklaster mit Wasserwerfern bereit, um die Massen mit einer Gratisdusche zu versorgen und an kleinen Ständen gibt es gratis(!) einen kleinen Imbiss um wieder zu Kräften zu kommen. Den Rest des Tages ist man dann vollkommen erledigt und die meisten Leute zieht es an den Strand. Wir fuhren zurück zur Marina und nach einer Ausgiebigen echten Dusche schmissen wir erst mal unsere Partyklamotten weg, da war schlicht nichts mehr zu machen. Anschließend genossen wir den Umstand, dass Raggas Boot über eine Klimaanlage verfügt und ließen den Tag bei Film und Kaffee einfach an uns vorüber ziehen. Am Karnevalsdienstag finden die Umzüge der Karnevalsvereine statt, bei denen prächtige Kostüme die Straßen und zahlreiche Bühnen zieren. Wir haben allerdings unsere Dosis Karneval gehabt und so genossen wir die Stille in der Marina und investierten die Zeit lieber in unsere Amanda. Schließlich waren wir in ein paar Wochen mit Linn Charlottes Eltern auf St. Lucia verabredet und wollten vorher noch etwas von den Inseln dazwischen sehen. Warum das dann doch nicht ganz so glatt ging, erfahrt ihr, wenn die…

…Fortsetzung folgt!

Frohes neues Jahr

Allen unseren Lesern wünschen wir ein frohes neues Jahr.

Wir sind nach 20,5 Tagen wohlbehalten auf Barbados in der Karibik angekommen. Allerdings stehen jetzt ersteinmal wieder einige Arbeiten am Boot an und wir brauchen dringend einige freie Tage. Einen ausführlichen Bericht gibt es aber so bald wie möglich!

Irgendwo zwischen Afrika und Amerika
Irgendwo zwischen Afrika und Amerika
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Schnorcheln auf Barbados